Fayencen
Fayencen waren im 17. und 18. Jahrhundert begehrter Ersatz für das auch für höhere Schichten noch unbezahlbare „weiße Gold“, das Porzellan. Die europäische Porzellanherstellung begann zwar schon 1710 in Meißen, Sachsen. Die Rezepte wurden aber als Geheimnis behandelt, das erst nach und nach verraten wurde und zur Entstehung weiterer Porzellanmanufakturen führte. Nach Wien 1718 gab es in Deutschland erst ab 1746 weitere Gründungen, u.a. 1747 in Fürstenberg an der Weser, im Einzugsbereich von Wrisbergholzen.
Mit freundlicher Genehmigung vom Focke-Museum Bremen (Spucknapf) und vom Museum August Kestner in Hannover aus dem 1993 herausgegebenen Ausstellungskatalog „Niedersächsische Fayencen“ (Sammlungskataloge des Kestner-Museums 11, beziehbar über das Museum) stammen die Bilder der in Wrisbergholzen entstandenen Fayencen:
*) Copyright an allen obigen Bildern beim Museum August Kestner in Hannover, Ausnahme für den Spucknapf: Focke-Museum in Bremen
*) Copyright of all pictures above at Museum August Kestner in Hannover, except the spittoon at Focke-Museum in Bremen
Ein weiteres Exemplar der Schlafenden Odaliske befindet sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, hier eine Beschreibung mit Bildern aus verschiedenen Perspektiven.
Neben den oben abgebildeten Fayence-Beispielen von Vasen, Krügen, Tellern und sonstigen Zier- und Gebrauchsgegenständen sind vor allem Fayence-Fliesen von Bedeutung, sowohl Ofen- als auch Wandfliesen. Bruchstücke von Ofenfliesen wurden bei den Ausgrabungen in der Manufaktur gefunden und können in unserem kleinen Museum besichtigt werden. Ebenfalls dort kann ein Beispiel eines Fliesentableaus bewundert werden, das in Wrisbergholzen für das ehemalige Jagdschloss in Ruthe hergestellt wurde und eine Jagdszene zeigt. Nach seiner Rettung aus den Brandruinen des Schlosses, Zwischenlagerung in Hannover und einem längeren Aufenthalt im Museum Flensburg, konnte es vom Verein erworben, in der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim restauriert und schließlich 2014 am Ort seiner Entstehung wieder aufgebaut werden.
Erst im Jahr 2020 wurden auf einem Dachboden in Elze in der Nähe von Hildesheim 48 Wrisbergholzener Fliesen (wieder) gefunden, z.T. mit WR-Logo und Malersignaturen. Auf der Webseite des passionierten Fliesensammlers, der sie erworben hat, werden sie präsentiert und beschrieben (Abb. 97 ff.). Die besondere Fähigkeit der Manufaktur in Wrisbergholzen, auch großflächige Fliesen herzustellen, wird eindrucksvoll im -> Fliesenzimmer im Schloss dokumentiert.
Die Emblemfliesen im Schloss stammen natürlich aus der Wrisbergholzener Manufaktur wie auch etliche kunstvolle Fayencen, die sich heute in verschiedenen Museen befinden, z.B. im Kestner-Museum Hannover, Heimatmuseum Alfeld, Braunschweigisches Landesmuseum, Bremer Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte – Focke-Museum, Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, Hetjens-Museum Düsseldorf, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Museen der Bayrischen Schlösser, Gärten und Seen München, Diözesanmuseum Münster, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, sowie in weiteren Museen in Schaumburg-Lippe, Celle, Flensburg, Göttingen, Goslar, Holzminden, Husum und Oldenburg.“
Auf dieser Seite unten können Sie das Tableau auch noch einmal großformatig betrachten.
Technik und Geschichte
Fayence ist französisch und von der italienischen Stadt Faenza abgeleitet. Es beschreibt ein tonkeramisches Erzeugnis, dessen poröser roter oder ockerfarbener Scherben mit einer farbigen oder weißdeckenden Zinnglasur überzogen ist. Die Stücke werden nach dem Modellieren getrocknet, dann bei etwa 900 Grad gebrannt und nach dem Erkalten in ein Glasurbad aus Sand, Pottasche, Blei, Zinn und Wasser getaucht. Dieses Gemisch bleibt als Überzug auf der Oberfläche des Scherben haften und wird nach einer anschließenden Bemalung direkt auf der noch ungebrannten Glasur nocheinmal bei über 1100 Grad aufgeschmolzen.
Angemalt wird der Glasurbrand entweder mit Scharffeuerfarben (wegen der hohen Temperatur beschränkt auf Blau, Mangan, Gelb, Grün, Rot, Braun und Schwarz) oder mit Muffelfarben (Metalloxide vermischt mit feingepulvertem, stark blei- und borsäurehaltigem Glas). Letztere müssen in einem dritten Brand bei 600 bis 800 Grad haltbar gemacht werden.
Tonwaren mit gefärbten Blei- oder Zinnglasuren sind bereits im 4. Jahrtausend vor Christus in Ägypten hergestellt worden, auch in Griechenland beherrschte man die Technik. „Echte Fayencen“ entstanden jedoch erst im 9. Jahrhundert v. Chr. in Mesopotamien, d.h. im irakischen Gebiet des Perserreichs. Die Araber brachten die Fayence nach Spanien, von dort eroberte sie Italien. Das ging verstärkt von Mallorca aus, deshalb heißen Fayencen von der spanischen Insel auch Majolika.
Im 16. Jahrhundert begann von Faenza aus, einem kleinen Ort südlich von Florenz, ein stilistischer Umschwung von den flächenfüllenden Majolikadekoren hin zu weißen, sparsam bemalten Keramiken, mit denen das von Marco Polo aus China mitgebrachte, heißbegehrte „weiße Gold“, das erst ab 1708 auch in Europa produzierbare Porzellan, imitiert werden sollte.
Im 17. und 18. Jahrhundert breitete sich diese Technik von Italien über Frankreich, die Schweiz und Holland nach ganz Europa aus, wo das Erzeugnis, das nun nördlich der Alpen entstand, nach seinem Herkunftsort „Fayence“ genannt wurde und einen für breite Bevölkerungsschichten erschwinglichen Ersatz für das Luxusgut Porzellan darstellte. Viele Fayence-Manufakturen nannten sich übrigens selbst – aus durchsichtigen Gründen – „Porzellan Fabrik“, so auch unsere in Wrisbergholzen.
In den Niederlanden, wo seit etwa 1600 Porzellan aus China importiert wurde und ungeheuer begehrt war, wurde die Imitationstechnik weiter verfeinert. Von Delft aus („Delftsch Porcelein“) wurden seit 1660 auch in Deutschland die ersten Fayence Fabriken gegründet.
Ab etwa 1800 ist die Fayence durch das englische Steingut und das allmählich besser produzierbare Porzellan verdrängt worden. Die Produktion in Wrisbergholzen begann 1736 und dauerte mit fast 100 Jahren ungewöhnlich lange bis zum Jahr 1834.
LINKS:
Speziell den Fliesen widmet sich eine außerordentlich umfangreiche Sammlung an Informationen und Bildern von Wilhelm Joliet unter www.geschichte-der-fliese.de. Dort sind auch detaillierte Beschreibungen des Fliesensaals in Wrisbergholzen und weiter führende Informationen zu den Wrisbergholzener Fliesentableaus im ehemaligen Schloss Ruthe zu finden. Wir danken Herrn Joliet für sein großes Engagement bei der Recherche und Verarbeitung diverser, z.T. auch für uns neuer Informationen.
Eine detailliertere (englischsprachige) Beschreibung von Fayencen – mit einem gewissen Fokus auf Bierseidel – durch John McGregor – obwohl benannt als Very Concise History Of Faience – und eine Liste mit 41 (von insgesamt wohl ca. 70) Deutschen Fajence Manufakturen im 18. Jahrhundert, inkl. Produktionszeiten sowie Namen von Inhabern und Malern, kann man hier als Teil der The Beer Stein Library“ finden.